Das Projekt

Alex, der kleine Punkt und Lilani, die kleine Linie haben zusammen ein Lernmittel geschaffen, das blinde und sehbeeinträchtigte Kinder im Vorschulalter und ihr sehendes Umfeld an die Brailleschrift heranführt.

Ausgangslage

Sehende Kinder im Vorschulalter entdecken täglich typografische Zeichen und begegnen der Schrift in den unterschiedlichsten Situationen und Formen, selbstständig oder begleitet. Wenn man Kindern vorliest haben sehende Kinder den Vorteil, dass sie die Buchstaben sehen und mit der Zeit, meist noch bevor sie eingeschult werden, den einen oder anderen auch erkennen oder gar nachzeichnen können. Das ist für blinde Kinder in dieser Form und in dieser Vielfalt nicht möglich, weil ihre Umgebung in den seltensten Fällen mit der Punktschrift (Brailleschrift) ausgestattet ist, so auch die meisten Bücher aus denen vorgelesen wird nicht in Brailleschrift herausgegeben werden. Blinden Kindern ist ein Schriftkontakt, bevor sie in die Schule kommen also wesentlich seltener und im Grund niemals zufällig möglich. Das ist ihren sehenden Kameraden gegenüber ein eklatanter Nachteil. Aus diesen Gegebenheiten und der Tatsache, dass es weder in Pädagogischen Einrichtungen noch im frei zugänglichen Büchermarkt speziell konzipierte Lernmittel für die gemeinsame Annäherung blinder und sehender Kinder an den Schriftspracherwerb im Vorschulalter gibt, ist die Idee zu einem inklusiven Lernmittel entstanden.

Von der Idee zum Projekt, 2010 - 2011

Eine erste Auseinandersetzung mit der Sensibilisierung des Tastsinnes von blinden Kindern im Vorschulalter fand für Fabienne Meyer durch die Gestaltung eines Tastbuches in Zusammenarbeit mit Petra & Vivian Aldridge (Blindenpädagogen) während des gestalterischen Vorkurses an der Schule für Gestaltung Basel (2003/2004) statt. Dem folgte später die Einreichung des ersten Forschungsprojektes «Punkt für Punkt» in welchem sich auch das bestehende Team zusammenfand. Das Ziel des BFH(Berner Fachhochschule)-Forschungsprojekts «Punkt für Punkt» war es, die gestalterischen Grundlagen für Übungs- und Lehrmittel zu erforschen, die der Sensibilisierung des Tastsinnes im Vorschulalter von blinden und sehbeeinträchtigten Kindern dienen und gleichzeitig ihre sehenden Geschwister, Eltern und Freunde in den Lernprozess mit einbeziehen. Die gestaltungstheoretischen und -praktischen Grundlagen hierzu lagen bislang nicht vor. Mit dem im Forschungsprojekt erarbeiteten Prototyp wurde die Absicht verfolgt, die Kinder spielerisch auf das bevorstehende Erlernen der Brailleschrift vorzubereiten und ihre Finger für Formen, Materialien, etc. zu sensibilisieren. Die Ergebnisse dieses Vorprojekts flossen 2013 in das SNF (Schweizerischer Nationalfonds)-Folgeprojekt «Punkt, Punkt, Komma, Strich» ein.

Das SNF-Forschungsprojekt, 2013 - 2015

Aus dem SNF-Forschungsprojekt der Hochschule der Künste Bern HKB (CH) und der Pädagogischen Hochschule Heidelberg (D) ging ein Konzept für eine pädagogisch und didaktisch abgestützte Fördermittelreihe mit adäquater Gestaltung in neun Bänden hervor von denen zwei evaluierte Prototypen am Ende des Projektes vorlagen. Diese beiden Bände «Alex und die Reise zu den Musterinseln» und «Alex im Land der Unterschiede» bereiten sehende, sehbeeinträchtigte und blinde Kinder, mit farbigen und taktilen Tastübungen, eingebettet in handlungsorientierte Geschichten, auf den Schriftspracherwerb vor (Einsicht in den Aufbau von Schrift, Kennenlernen von Schriftelementen, Differenzierung der Wahrnehmungsleistungen etc.).

Evaluation und Ergebnisse des SNF-Projektes

Die Evaluation der beiden Prototypen zeigte deutlich, dass das Fördermaterial für blinde, sehbeeinträchtigte und sehende Kinder einen hohen Aufforderungscharakter hat, der Inhalt der Geschichten angemessen ist und die Such- und Tastaufgaben von den Kindern gut gelöst werden können. Insgesamt war die positive Bewertung der Eltern sehender und sehbeeinträchtigter Kinder hervorzuheben. Hier wurde die Mischung aus einer ansprechenden visuellen Gestaltung in Kombination mit den taktilen Angeboten als positiv bewertet. Das Fördermaterial zeigt demzufolge konkrete Möglichkeiten inklusiver Lehr- und Lernsituationen auf, die zu wichtigen Impulsen für die wissenschaftliche Inklusionsdiskussion führen. Hierbei kommt das Gestaltungskonzept des «Universal Designs» zum Tragen, welches auch Bestandteil der UN-Behindertenrechtskonvention ist.

Das Folgeprojekt und Produktion, 2018 - 2022

Auf der Grundlage dieser zwei Prototypen folgte 2018 im bestehenden Team die Weiterentwicklung der restlichen sieben Bände mit der finanziellen Unterstützung verschiedener Stiftungen, allen voran der Gebert Rüf Stiftung.

Da die für den Brailledruck vorgesehene Druckerei Corona bedingt Konkurs gegangen war und durch die andauernde Rohstoffknappheit, verzögerte sich die Produktion der Hefte um fast zwei Jahre. Da die technischen Ansprüche für diese Drucksache enorm hoch sind, wurde mit unzähligen weiteren Tests und Evaluationen mehrerer Druckereibetriebe im In- und Ausland endlich anfangs 2022 eine adäquate Lösung im Kanton Bern gefunden. Nun liegen alle Hefte in einer Auflage von 1000 Stück in gedruckter Form vor.

Die inklusive Lernmittelreihe «Punkt für Punkt: Alex und Lilani entdecken die Welt der Buchstaben»

Die Hefte sind kompatibel mit den allgemeindidaktischen und blinden- und sehbehindertenspezifischen Anforderungen an einen modernen, handlungsorientierten Schriftspracherwerb. Als Hauptprotagonisten der neu entwickelten Lernmittelreihe agieren nun Alex, ein Braillepunkt in Originalgrösse und Lilani, eine kleine Linie. Integriert in kindgerechte und handlungsorientierte Geschichten findet die Auseinandersetzung mit Braille- und Schwarzschrift anhand von visuellen und haptischen Aufgabenstellungen statt. Dabei bildet eine Doppelseite jeweils eine Text-/Bild- bzw. Tastübungseinheit ab. Damit eine wirtschaftliche Produktion der Lernmittelreihe garantiert werden konnte, wurde der Schwerpunkt auf integrierte Förderaspekte zum Schriftspracherwerb mit eröffnenden Handlungsmöglichkeiten im Text gelegt und nicht auf eine umfangreiche Materialsammlung. Um dennoch die für die Sensibilisierung des Tastsinnes notwendige Material- bzw. Handlungsvielfalt zu gewährleisten, liegt jedem Band eine Anleitung bei, mit angewandten Spiel- und Übungsanregungen für vor- und mitlesende Bezugspersonen.

Ausblick

In einem nächsten Projektschritt soll das Lernmittel in einer englischen und französischen Version produziert werden. Für die Entwicklung, Finanzierung der Produktion sowie auch der Distribution ist der Verein hierzu auf der Suche nach Projekt- und Förderpartnern. Das Projekt-Team freut sich über sämtliche Kontaktaufnahmen von interessierten Organisationen.

Das Projekt wird unterstützt von: Schweizerischer Nationalfonds (SNF), Gebert Rüf Stiftung, Ernst Göhner Stiftung, Ursula Wirz-Stiftung, Paul und Charlotte Kniese-Stiftung, Burgergemeinde Bern, UBS Stiftung für Soziales und Ausbildung, BEKB Förderfonds, Däster Schild Stiftung, Migros Kulturprozent, HKB AG Publikationen, Stiftung «Perspektiven» von Swiss Life, Vergabungsfonds Schweizerische Mobiliar Genossenschaft, Schindler Aufzüge AG, Fischer Papier.

Gerne nehmen wir auch Ihre Spende entgegen,
Vielen Dank für Ihren wertvollen Beitrag!

Berner Kantonalbank AG

IBAN: CH45 0079 0016 9396 4671 2

Verein «Punkt, Punkt, Komma, Strich»
Schläflirain 9
3013 Bern

Die Köpfe hinter dem Projekt

Fabienne Meyer

Designforscherin und Visuelle Gestalterin

Sie ist Visuelle Gestalterin FH und arbeitet seit 2009 im Institute of Design Research in der Forschungseinheit Social Communication an der HKB als künstlerisch-wissenschaftliche Mitarbeiterin. Eine erste Auseinandersetzung mit der Sensibilisierung des Tastsinnes von blinden Kindern im Vorschulalter fand durch die Gestaltung eines Tastbuches (2003/2004) in Zusammenarbeit mit Petra & Vivian Aldridge (Blindenpädagogen) statt. Als weitere Vertiefung dieser Theamtik gründete Fabienne Meyer das BFH-Forschungsprojekt «Punkt für Punkt» (2009-2011) und leitete das SNF-Projekt «Punkt, Punkt, Komma, Strich» (2013-2015). Fabienne Meyer ist als Projektleiterin neben der Koordination der Briefings für die Prototypen auch für die Konzeption der Übungsformate und Einbettung in die handlungsorientierten Geschichten, sowie deren inhaltliche und textliche Erscheinungsform verantwortlich.


Prof. Andréas Netthoevel

Grafik-Designer und Forschungsdozent an der Hochschule der Künste Bern

Er ist Grafik-Designer und seit 2000 Dozent für visuelle Kommunikation an der Hochschule der Künste Bern, seit 2012 als Forschungsprofessor. Er ist Co-Leiter des 1990 von ihm gegründeten Gestaltungsbetriebs «2. stock süd» in Biel. Im Forschungsprojekt «PPKS» zeichnet sich Andréas Netthoevel für die Gesamtleitung des Teams verantwortlich, leitete die gestaltungstheoretischen und -praktischen Arbeitspakete, forciert die produktionstechnischen Recherchen und Abklärungen und ist am Gestaltungsprozess des Lernmittels massgeblich beteiligt.


Martin Gaberthüel

Grafik-Designer und akademischer Mitarbeiter der Hochschule der Künste Bern

Er ist Grafik-Designer, seit 2010 Mitarbeiter im Institute of Design Research in der Forschungseinheit Social Communication an der HKB und seit 1995 Mitinhaber des Gestaltungsbetriebs »2. stock süd« in Biel. Neben der Mitarbeit am BFH-Forschungsprojekt «Punkt für Punkt» entwickelten Andréas Netthoevel und Martin Gaberthüel das neue Corporate-Design für das «Blinden- und Behindertenzentrum Bern». Das Gestalterische Gesamtkonzept wurde international mehrmals ausgezeichnet, zuletzt mit dem «red-dot-award best of the best» vom «Design Zentrum Nordrhein-Westfalen». Im Forschungsprojekt «PPKS» zeichnet sich Martin Gaberthüel verantwortlich für die Gesamt- und Detailgestaltung und das Vorbereiten der Druckdaten für die Produktion.


Prof. Dr. Markus Lang

Professur für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg

Er ist Blindenpädagoge; seit 2005 vertritt er die Professur für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Im Rahmen seiner Dissertation entwickelte er neuartige Materialien für blinde und hochgradig sehbehinderte Kinder zur Vorbereitung auf das Erlernen der Brailleschrift. Als Co-Antragsteller erarbeitet er die Lern- und Lehrszenarien, begleitet die Evaluation im Feld und moderiert den wissenschaftlichen Exploit des Projekts.


Frank Laemers

Akademischer Mitarbeiter der Pädagogische Hochschule Heidelberg – Blinden- und Sehbehindertenpädagogik

Er ist akademischer Mitarbeiter an der Pädagogische Hochschule Heidelberg und dort am Institut für Sonderpädagogik in der Lehreinheit Blinden- und Sehbehindertenpädagogik: Didaktik und Pädagogik (Schwerpunkt Lernen bei Sehbehinderung). Seine Forschungsschwerpunkte sind Low Vision im Kindes- und Jugendalter; Sehen – Visuelle Wahrnehmung – zerebral bedingte Sehschädigungen und Frühförderung von Kindern mit einer Sehbehinderung. Im Projekt «PPKS» ist er für den Aufbau des pädagogischen Inhalts, wie für die Evaluation der Prototypen mitverantwortlich.


Sarah Adams

Akademische Mitarbeiterin und Doktorandin der Pädagogische Hochschule Heidelberg – Blinden- und Sehbehindertenpädagogik

Sie ist Sonderschullehrerin mit den Fachrichtungen Blindheit und Sehbehinderung sowie Hören. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt «PPKS-3» und promoviert derzeit zum Thema Frühförderung in der Blinden- und Sehbehindertenpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Im Projekt «PPKS-3» war sie verantwortlich für die pädagogische/didaktische Recherche zum Aufbau der Bände 2 und 4-9. Ausserdem besteht eine Kooperation mit dem Kindergarten eines sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrums im Förderschwerpunkt Sehen, um die entwickelten Übungsformate zu testen, zu evaluieren und gegebenenfalls zu adaptieren. Die hierbei anfallenden Arbeiten werden von Sarah Adams geplant, durchgeführt und ausgewertet.


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